Ich weiß: Der Begriff Heimat ist ein schwieriger. Speziell in Deutschland. Er gehört nicht zu den häufig verwendeten Begriffen in meinem Wortschatz. Aber er drängte sich gerade zu auf, als ich mit meiner Serie über die sogenannten Dönerbuden beschäftigt war. Da haben Menschen etwas aus ihrer Heimat mitgebracht in die Fremde, um diese sich etwas heimischer zu machen. Und dann sind einige Jahre vergangen, die Döner-Imbisse haben sich inzwischen zu einer Deutschland-Variante weiterentwickelt und das uns zuvor Fremde, das da seinen Einzug gehalten hatte, gehört nun wie selbstverständlich zu unserer Heimat.
Besonders am Abend und in der Nacht hat die manchmal grelle Inszenierung dieser Treffpunkte und Orte für das Schnelle Essen Stadtbild prägende Kraft. Besonders in Darmstadt. Fast 40 von ihnen habe ich gezählt. Ohne sie wäre es in Darmstadt abends dusterer.
Ihre Heimat - unsere Heimat: die Grenzen beginnen sich aufzulösen.
Heimat im Wandel - das ist auch das Thema meiner Bilder aus dem Johannesviertel in Darmstadt.
Nicht, daß der Verlust der Einzelhandelsgeschäfte ein spezifisches Phänomen in diesem Viertel wäre. (Im Neubaugebiet werden gar nicht erst Geschäfte eingeplant!) Aber im Johannesviertel, wo ich wohne, habe ich das Verschwinden der Geschäfte zum Teil noch selbst miterlebt und als Verlust erfahren. Und was danach kam, zeigte sich oft auch recht unbeständig. An manchen Stellen wechseln die Geschäfte im Jahresrhythmus. Ich vermute, selbst die Banken haben nicht wirklich Freude daran. Interessant ist übrigens, dass die Veränderungen, die in den letzten Jahren vor sich gingen, den Charakter des Viertels nicht mehr wirklich tangieren. Das Viertel ist zur Ruhe gekommen, und damit ist es im Wesentlichen auch schon beschrieben. Nicht wenige Läden stehen leer, und ob ein Architekt auszieht und eine Werbegrafikerin ein, macht nun wirklich keinen Unterschied. Auch der neu und schön gestaltete Johannesplatz ist eher eine Oase der Ruhe als der Mittelpunkt eines dynamischen Quartiers. Aber das finden wir Darmstädter ja zum Glück noch in anderen Stadtvierteln.
Wie wichtig es ist, sich eine Heimat einzurichten, zeigt sich auch in einem Neubaugebiet.
Mitten in der Pampa aus Äckern und Wiesen standen plötzlich ein paar einzelne Häuser herum, die aussahen, als entstammten sie dem Spiel Monopoly. Als ich dort später mit der Kamera unterwegs war, war das neue Wohngebiet schon erheblich gewachsen und ein gut Teil der Bewohner vor kurzem eingezogen. Ein faszinierender Zustand zwischen „Wohnst du schon, oder improvisierst du noch?“ war zu beobachten. Typisch z. B. die Sonnenterrasse auf dem Erdaushub. Aber „terrace" heißt ja im Französischen ursprünglich auch nichts anderes als „Erdhaufen“.
Draußen haben sie improvisiert, und drinnen wahrscheinlich auch noch. Vermute ich jedenfalls, denn gesehen habe ich nur, was sich draußen zeigte. Wie auch immer: Es wird eifrig gewerkelt und intensiv gestaltet, auf dass aus einer Parzelle Heimat werde. |